Ich hatte mich schon darauf
eingestellt, einen interessanten Artikel über das Monday Night Game
der NFL zu schreiben. Spannendes Duell hatte sich da angekündigt:
zwei Teams mit jeweils einer Niederlage zum Beginn der Saison, aber
dann wiederum mit sehr überzeugenden Siegen in Woche 2 (Seattle
gegen die Cowboys, die Packers gegen die Bears). Der Ausgang des
Spiels könnte für beide Teams also richtungsweisend für die Saison
werden. Was es stattdessen wurde, ist ein Symbol für die Absurdität,
die sich derzeit in der NFL abspielt.
Wenn der amtierende MVP der Liga – QB
Aaron Rodgers von den Green Bay Packers - schon etwas süffisant in
der Pressekonferenz auf die Frage, ob er die Liga schon jeweils in
solch einem Chaos gesehen hätte, kurz angebunden antwortet: „ähhh,
NO....“, dann zeigt das einiges.
Was war passiert?
Spannendes Spiel wird zur Farce
Das Spiel in Seattle entwickelte sich
in den Schlussminuten von einem umkämpften Defensiv-Schlagabtausch
zu einem jetzt schon legendärem Drama.
Die erste Halbzeit ist dabei schnell
erzählt: Seattles Defensive dominierte das Spiel, ließ Aaron
Rodgers und seiner Offensive überhaupt nicht ins Spiel kommen und
brachte den Star-QB unzählige Male zu Boden. Eine ganze schlechte
Vorstellung der Packers, die zwar defensiv auch wenig zuließen, aber
einen Spielzug der Seahawks zu einem Touchdown nicht verhindern
konnten. Die zweite Halbzeit stellt aber alles auf dem Kopf. Die
Packers fingen nun endlich an, ihren neu-erworbenen RB Cedric Benson
effektiv zu nutzen, mauerten ellen-lange Drives zurecht und punkteten
wiederholend. Unterstützt durch eine Defensive, die Seattle
kaum noch was erlaubte, und einem fragwürdigen
Pass-Interference-Call gegen Seattle, der einen Drive der Packers am
Leben erhielt, führte Green Bay Mitte des 4. Viertels mit 12:7. Und
es sah nicht so aus, als ob die Seahawks davon nochmal zurückkommen
würden – bis dahin hatten sie in der gesamten zweiten Halbzeit
Negativ-Yards erspielt.
Ich hatte mich schon innerlich darauf
eingestellt zu schreiben, dass die Packers sich ja doch noch
berappelt hätten und ihr Potential offensiv wie vor allen Dingen
defensiv noch halbwegs ausgeschöpft haben, um das junge Team aus
Seattle zu schlagen... Doch dann kamen die Schiris, genauer
gesagt die Amateure.
Amateurschiedsrichter entscheiden das Spiel
Seit Beginn der Saison ist es Thema und
als Fan, ja als Beobachter ist es schwer, sich in Analysen - auch hier - einzig auf das Spiel und dessen Feinheiten zu konzentrieren,
aber jede Woche versucht man es. Doch ein gewisses Level wurde
gestern abend deutlich überschritten!
Die Seahawks starteten 8 Minuten vor
Schluss ihre Aufholjagd. Erster Spielzug: QB Russell Wilson rennt aus
der Pocket, wirft, Wide Receiver kann nicht richtig fangen, zack ist
der Verteidiger da: Interception. Spiel so gut wie gelaufen. Doch es
liegt ein Flagge auf dem Feld: OLB Walden sprintete hinter Wilson her,
sprang und als dieser warf, erwischte er ihn am Fuß. Für die
Amateur-Schiris ein Grund, um auf 15-Yard-Strafe zu entscheiden.
Damit bekamen die Seahawks natürlich auch den Ball wieder und es ging weiter. Seattle wieder im Spiel? Nicht wirklich. Kurze Zeit später:
Erster Versuch und 25 Yards zu schaffen: Langer Pass von QB Wilson an
die Seitenlinie, WR Sidney Rice greift Verteidiger Sam Shields an der
Schulter, der dadurch die Interception nicht fangen kann. Wieder eine
Flagge... - alle Proteste der Packers umsonst: es geht gegen Shields
für Defensive Pass Interference. 15 Yards und neues 1st
and 10 für die Seahawks. Mit gegensätzlichem Call wäre es fast das
Ende gewesen, mit 6 Minuten vor Ende.
Doch es ging weiter. Die
Seahawks standen wie aus dem nichts an der 25 Yard Linie, brauchten
aber einen Touchdown. Die starke Packers-Defense ließ sie aber nur
bis zur 7-Yard-Linie kommen und auch 4 Versuche reichten nicht aus,
um in die Endzone zu kommen. 2 Minuten vor Schluss hatten die Packers
wieder den Ball und führten. Die Zeit lief runter und nach einem
Punt der Packers waren nur noch wenige Sekunden zu spielen –
letzter Versuch: ein Hail-Mary-Pass in die Endzone.
Hail-Mary-Pass mit ungewissem Ausgang
Dort warteten 6 Spieler auf den langen
Ball. WR Brandon Tate schubste kurzerhand CB Shields um und sprang
auch noch mit hoch - ungesehen natürlich. Er schaffte es auch an den Ball zu kommen, aber
Packers CB MD Williams war eher dran, grabschte den Ball mit beiden
Händen und zog ihn an seinen Körper. WR Tate hatte seine Hand auch
am Ball und versuchte beim Zu-Boden-Gehen den Ball aus der Hand von
Williams zu reißen. Ein Kampf entbrannte. Und plötzlich stehen da
zwei Amateurschiris: der eine die Arme hoch als Signal für einen TD
Seattle, der andere die Arme in der Waagerechten für eine Safety der
Packers!
Schon jetzt das Bild des Jahres.
Aber Ruling-on-the-Field war TD Seattle
durch Brandon Tate, der nach dem ganzem Gerangel auch mit dem Ball in
der Hand vom Felde schlich. Das Chaos war da. Keine war sich
einig und keiner wusste, was jetzt zu tun war. Selbst WR Tate war sich unsicher... Erstmal die
Wiederholung per Video anschauen, dachte man sich und würde ja klar
werden, dass CB Jennings eher am Ball war und somit die Packers
gewonnen hätten. Ewiges Warten und dann der „Seattle Shocker“:
das Ruling-on-the-field bleibt bestehen. Die Amateure sahen keinen
Grund, das Urteil zu revidieren und verhalfen damit den Seahawks zum
Sieg.
Der Skandal war perfekt
Die Packers Spieler und Trainer
verlassen wutentbrannt das Spielfeld, obwohl noch ein Extrapunkt
gekickt werden muss, um das Spiel zu beenden. Das geschieht dann erst
auf Zureden 10 Minuten später. Irgendwie denkt jeder, er sei im
falschen Film. In der Umkleide der Packers wird die Szene auf dem TVgezeigt: Gelächter bricht aus, Handtücher fliegen Richtung Anlage.
Spieler üben sich in Sarkasmus und loben die Leistung der Schiris.
MVP-QBs sind einsilbig und bedient, Green Bay Trainer McCarthy ist nahezu sprachlos.
Mal abgesehen davon, dass die Packers
damit nach einem guten Comeback einen Sieg entrissen bekommen haben,
sind sie noch recht milde und faseln davon, dass sie sich selbst
nicht in diese Situation hätten bringen müssen. Das ist nobel und
vollkommen richtig. Gut gespielt haben sie in der ersten Halbzeit
nicht, aber dieser Ausgang bringt die gesamten NFL in eine tiefe
Krise.
Spieler aus anderen Teams kommentieren
via Twitter die Leistung der Schiris, sprechen an, wie sie denn so
noch die Offiziellen respektieren sollen? Dazu hatte die NFL alle
Teams vor dem Wochenende nochmal ermahnt. Die Stimmung unter den
Spielern bricht dementsprechend Bände. Packers OT TJ Lang twittert:
„F**k it NFL“. Man solle ihn doch ruhig bestrafen und das Geld
verwenden, die Profi-Schiris wieder einzustellen. Die entsprechenden Re-Tweets folgen sekündlich.
Kommentatoren und Ex-Spieler sind
fassungslos angesichts der Entscheidungen. Immer öfter liest man den
Kommentar: Boykottiert die NFL.
So zumindest unter einem Statement der
Liga zu der Entscheidung bei dem Hail-Mary-Pass am Ende des Spiels.
Durch die TV-Aufnahmen hätte es keine eindeutigen Beweise gegeben,
das Ruling-on-the-Field zu revidieren.... Dass verschiedene Schiris
schon auf dem Feld unterschiedliche Meinungen hatten und eher
notgedrungen auf TD entschieden wurde, wird nicht erwähnt.
Eine Farce
Die NFL ist mit diesem Monday Night
Game an einem kritischen Punkt angelangt. Die Mängel der
Amateur-Schiedsrichter ist unübersehbar. Klar, sie machen ihren Job
so gut sie können, aber es wird immer klarer, dass sie diesem Niveau
einfach nicht gewachsen sind. Zu viele Fehlentscheidungen sind jede
Woche zu beobachten. Und es werden Spiele dadurch entschieden. Darren
Sharper merkt bei NFL Network an, dass einen NFL-Saison eben nicht 82
Spiele in einer Saison hat, wie in der NBA, sondern jedes einzelne
Spiel entscheidend ist. Nicht auszumalen ist es, wenn der Rekord-Champion Green Bay am Ende ein Sieg zum Erreichen der Playoffs fehlt...
Schon während des MNF-Games erwähnte
der Reporter, wann eigentlich endlich die Besitzer der NFL-Teams
einschreiten würden? Es sind schließlich ihre Millionen, die
hierbei auf dem Spiel stehen.
Und auch die Sicherheit der Spieler ist
immer wieder ein Thema. Wenn man als Spieler bei
Schiedsrichter-Entscheidungen keine klare Linie sieht oder bemerkt,
dass nicht alle Aktionen gesehen werden, dann nutzt man dies aus. Die
Frustration wird automatisch größer, wenn man weiß, derjenige, der
da gerade die Strafe verteilt, stünde normalerweise gar nicht da.
Die Hemmschwelle sinkt, was sich z.B. auch daran zeigt, dass es immer
mehr Rangeleien auf dem Feld gibt. Selbst Star-Trainer Bill Belichick
ging nach dem knappem Ausgang seiner Patriots gegen Baltimore die Schiedsrichter auch physisch an.
Fazit ist, dass es so nicht weiter
gehen kann.
Warum die Liga das selbst noch nicht
begriffen hat und warum die Verhandlungen zwischen NFL und
Schiedsrichter-Gewerkschafter just am Sonntag wiedermal erfolglos
blieben, ist mir weiterhin ein Rätsel. Die Gehälter der Schiris
sind im Vergleich zu denen der Spieler ein Witz. Genauso wie das
Spiel gestern.
Zur Zeit ist es tatsächlich sehr
schwierig, sich die NFL anzuschauen... - „just painful to watch“.
Schade und ärgerlich.
ms
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